Falls du mit dem Gedanken spielst, ein etabliertes Internet-Business oder einen E-Commerce-Shop zu kaufen, musst du genau wissen, was du für dein Geld bekommst. Das Stichwort hierbei heißt Due Diligence und sollte ganz am Anfang eines jeden Unternehmenskaufs stehen.

Eine gründliche Inspektion eines vermeintlich aussichtsreichen Kaufobjekts verifiziert nämlich nicht nur entscheidende Fragen zu Bilanz und Profitabilität, sondern gibt dir auch ein Gefühl für Wesen und Kultur des Unternehmens. Denn auch wenn gute Zahlen essenziell sind, so besteht ein erfolgreiches Online-Geschäft doch meist aus sehr viel mehr.

Im Folgenden wollen wir dir daher anhand von sechs grundsätzlichen Schritten zeigen, wie du bei einer Due-Diligence-Prüfung am besten vorgehst – mögliche Stolperfallen inklusive.

Warum ist Due Diligence so wichtig?

Falls du den Begriff Due Diligence (auf Deutsch wortwörtlich: angemessene Sorgfalt) zum ersten Mal hörst, dann solltest du dich dadurch nicht verunsichern lassen. Letztlich handelt es sich dabei schlicht und einfach um die Überprüfung eines Unternehmensprofils.

Beim privaten Kauf eines Autos, einer Wohnung oder anderen komplexen und kapitalintensiven Investitionen geschieht im Grunde größtenteils nichts anderes, nur dass der Erwerb einer ganzen Firma nun mal mit besonderen Herausforderungen einhergeht.

Und ein reines Online-Unternehmen wiederum bietet weitere Due-Diligence-Aspekte, die bei „traditionellen“ Betrieben eher weniger oder gar nicht ins Gewicht fallen. Am Ende läuft es aber immer auf dasselbe hinaus: Ist das Geschäft auch „unter der Haube“ so wie rein äußerlich präsentiert? Und falls nicht, lohnt sich vielleicht dennoch ein Kauf?

Gesunde Skepsis steht bei diesem Prozess im Vordergrund und nicht selten empfiehlt es sich, die Betrachtungsweise auch ganz einfach auf den Kopf zu stellen und zu fragen: Welche Gründe gibt es, diese Website nicht zu kaufen?

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass eine echte Unternehmensbewertung ohne Due Diligence nicht möglich ist, und von einem Kauf ohne entsprechende Prüfung grundsätzlich abzuraten ist. Nun aber etwas konkreter:

1. Die Bewertung von Traffic & Domain

Traffic und Domain

Bevor du ein Internet-Business kaufst, solltest du dir zuallererst den Online-Traffic ansehen und den Verkäufer bitten, dir einen direkten Zugang auf entsprechende Datenbanken und Analytics-Accounts (wie z.B. Google Analytics oder Clicky) zu ermöglichen.

Anschließend gilt es dann den Traffic selbst zu bewerten. Hier sind einige Indikatoren, auf die du achten solltest:

  • Wie viel Zeit verbringen die Besucher auf der Website? Bleiben die meisten Besucher weniger als 3 Sekunden auf der Website, wird ein großer Teil des Traffics wahrscheinlich von Bots erzeugt. Wenn die durchschnittliche Verweildauer auf der Website weniger als 30 Sekunden beträgt, sind User-Experience oder Inhalt möglicherweise alles andere als optimal (wobei hier natürlich die Art des Website-Contents entscheidend ist).
  • Wie viele Seiten sieht sich der Besucher an? Ist die Besuchstiefe hoch, dann spricht das höchstwahrscheinlich für die Qualität der Inhalte sowie die Konstruktion der Website insgesamt.
  • Wer sind die Besucher? Sieh dir die demografischen Daten der Besucher an. Wenn der Großteil aus Gegenden stammt, die nicht relevant sind oder keinerlei Sinn ergeben, könnte das ein Warnsignal sein. Falls du dich z.B. für eine Heimgärtner-Seite für Menschen in Österreich interessierst, der Traffic aber größtenteils aus Indien stammt, dann solltest du misstrauisch werden.
  • Was ist die Traffic-Quelle? Kommen die Besucher über Links in E-Mails, soziale Medien, bezahlte Anzeigen, Empfehlungen oder organische Suche? Ist die Konzentration bezüglich einer Traffic-Quelle sehr hoch? Vielleicht sogar zu hoch? Wie haben sich die Quellen im Laufe der Zeit entwickelt? Finde heraus, woher der Traffic stammt, und frage dich, ob das derzeitige Model zukunftsträchtig ist.
  • Wie sieht das Linkprofil aus? Empfohlen wird auch das Linkprofil zu bewerten. Wie viele Backlinks kamen in den letzten sechs bis zwölf Monaten hinzu? Wie sieht es dabei mit Quantität vs. Qualität aus?
  • Hat die Domain eine Vergangenheit? Du solltest das Alter der Domain mit einem Tool wie der Wayback Machine überprüfen. So kannst du feststellen, ob die Domain schon einmal einem anderen Unternehmen gehört hat oder für einen anderen Zweck verwendet wurde. Falls ja, wirst du unter Umständen Probleme mit alten Links und falschem Anchor-Text haben.
  • Erscheint gekaufter Traffic in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung? Es ist wichtig, gründlich nach Anzeichen für bezahlten oder gesponserten Traffic zu suchen. Hier wird nämlich oftmals nicht die volle Transparenz gewährt. Es kann etwa sein, dass der Verkäufer Tausende von Euro pro Jahr für gesponserte Werbung bezahlt (und dies nicht angibt).
  • Setzt die Seite auf ein PBN? Im Content-Bereich ist es nicht ungewöhnlich, dass Websites durch ein PBN (Private Blog Network) bessere Rankings erzielen. Obwohl es sich dabei um eine SEO-Technik in der Grauzone handelt, werden PBNs immer noch genutzt, weil sie es Websites ermöglichen, Backlinks zu erhalten, ohne dass sie dafür E-Mails schreiben, Gastbeiträge verfassen und sich um redaktionelle Links bemühen müssen. Wenn du auf ein PBN stößt, frag den Verkäufer, ob die Links aktiv bleiben und welches Ziel er damit verfolgt.

2. Die finanzielle Bewertung

Finanzielle Due Diligence

Die Prüfung der Finanzen ist ein essenzieller Aspekt einer Unternehmensbewertung – sowohl was die Due Diligence angeht als auch hinsichtlich des eigentlichen Kaufs. Ohne exakte Kenntnis der finanziellen Lage eines Online-Geschäfts kann eine qualifizierte Investitionsentscheidung gar nicht erst gefällt werden.

Als Erstes sollte man daher angegebene Umsätze mit den Kontoauszügen des Verkäufers abgleichen:

  • Affiliate-Abrechnungen: z. B. von Commission Junction, Rakuten oder Amazon
  • Werbung: z. B. von Google Ads, Ezoic oder Mediavine
  • Abrechnungen von E-Commerce-Plattformen: z.B. von Shopify oder Amazon
  • Abrechungen von Zahlungsdienstleistern: z.B. von PayPal oder Stripe

Käufer sollten außerdem immer eine Live-Bildschirmfreigabe mit dem Verkäufer verlangen, um das Backend der Website, etwaige Affiliate-Partner und mögliche Online-Banking-Portale selbstständig zu überprüfen. Diese zweite Stufe verifiziert nicht nur noch einmal verstärkt die Zahlen, sondern garantiert auch, dass der Verkäufer wirklich der Eigentümer ist.

Achte zudem bei der Gewinn-und-Verlust-Rechnung auch auf kleinste Abweichungen. Sollten Unstimmigkeiten bestehen, muss der Verkäufer sie in vollem Umfang begründen können.

Tipp: Wenn eine Website über das Amazon-Partnerprogramm monetarisiert wird, solltest du darauf achten, ob mehrere Seiten denselben Affiliate-Code verwenden. Ist dies der Fall, könnten Einnahmen absichtlich aufgebläht sein.

3. Wer ist der Verkäufer?

Verkäufer

Es mag offensichtlich erscheinen, aber die Überprüfung des Eigentümers der Webseite ist genauso wichtig wie die Due Diligence der Seite selbst. An allererster Stelle steht dabei die Frage, ob man es beim Verkäufer auch mit dem Eigentümer zu tun hat.

Anders als in der Offline-Welt ist es unüblich, dass sich Käufer und Verkäufer während des Verkaufsprozesses persönlich treffen. Daher sollte ein eingehender Background-Check des Anbieters neben dem vermeintlichen Besitz des Online-Geschäfts auch immer dessen berufliche Laufbahn, seinen Ruf sowie gegebenenfalls seine offiziellen Auditierungen umfassen.

Google weiß diesbezüglich meist viel – insbesondere, wenn der Verkäufer eine Vergangenheit hat, in der es bereits zu Betrugsvorwürfen kam. Außerdem verraten Profile in sozialen Medien (wie Xing, LinkedIn, Facebook oder Twitter) bei genauem Hinsehen oft eine Menge über den Menschen, mit dem man es zu tun hat.

Ergeben sich dabei Widersprüche oder fehlende Informationen, dann sollte das als Einladung verstanden werden, tiefer zu graben.

4. Verifizierung der technischen Infrastruktur

Technische Infrastruktur

Zukünftige technische Risiken zu verstehen, die man durch einen Unternehmenskauf eingeht, ist oft nicht ganz leicht, aber immer wichtig. Schließlich möchtest du am Tag der Schlüsselübergabe nicht vor einem schwarzen Bildschirm sitzen. Und an eine mangelhafte User-Experience bei deinen Besuchern denken wir lieber gar nicht erst.

Beabsichtigst du zum Beispiel ein Shopify- oder WooCommerce-Unternehmen zu übernehmen, dann solltest du prüfen, ob benutzerdefinierte Plug-ins oder Erweiterungen verwendet wurden. Falls ja, hast du Zugang zu sauberem Code? Kann dieser notfalls schnell und kostengünstig geändert werden? Wenn nicht, wer leistet bei technischen Problemen Support?

Bei WordPress-Seiten solltest du die verwendeten Plug-ins prüfen und sicherstellen, dass sie vom Verkäufer bezahlt und lizenziert wurden.

Bei SaaS- und Software-Geschäften gilt es sicherstellen, dass du ein Muster des Quellcodes zur Prüfung erhältst, um die Authentizität zu gewährleisten und dich von der Qualität und den Quelltext-Kommentaren im Falle zukünftig notwendiger Änderungen zu überzeugen.

5. Verstehe das Geschäft

Geschäftsmodell

Bevor du ein formelles Angebot abgibst, ist es wichtig, dass du dich fragst, wie lange du brauchen wirst, um das Unternehmen in den Griff zu bekommen.

Dabei ein genaues Zeitfenster zu ermitteln, ist keine Kleinigkeit, aber der Verkäufer sollte in der Lage sein, Aufwand und Anspruch der Übergabe realistisch darzustellen und einzuschätzen.

Hast du das Gefühl, dass das Szenario zu optimistisch oder grobschlächtig präsentiert wird, dann solltest du dich damit nicht zufriedengeben.

Besitzt du aber einmal all die Information, die du benötigst, dann dürfte einer gut vorbereiteten Übernahme der Geschäfte jedoch nichts im Weg stehen.

6. Überprüfe die Rechtmäßigkeit des Unternehmens

Rechtmäßigkeit

Oder anders gesagt: Ist das Internet-Business oder die zu verkaufende Website illegal?

Hinsichtlich Legalität kann unter anderem auch der Standort des Online-Business eine Rolle spielen und das von dir geplante Wachstum infrage stellen – was wiederum zu einer völlig neuen Bewertung des Online-Geschäfts führen dürfte.

Je größer das Unternehmen, desto mehr rechtliche Due-Diligence-Prüfungen sind hinsichtlich Recht und Gesetz notwendig – bestehende Verträge, zum Beispiel, stellen gerne einen Hort möglicher legaler Risiken dar. Ebenso gehören Markenrechtsverletzungen und Urheberlizenzen zu den klassischen Streitfragen.

Hilfsmittel für die Risikobewertung

Es gibt verschiedene kostenlose und kostenpflichtige Tools, die du während des Due-Diligence-Prozesses nutzen kannst. Hier sind einige unserer Favoriten:

  • Google Analytics: Googles beliebte Software bietet einen Gesamtüberblick des Traffics deiner Seite.
  • Ahrefs, SEMrush, Sistrix oder Moz: Nutze diese Tools, um Backlinkprofile und Keyword-Rankings zu ermitteln.
  • Google: Mit Google kannst du grundlegende Suchanfragen zu praktisch allen Themen durchführen. Über Google Trends lässt sich zudem feststellen, ob sich ein Keyword oder eine Nische im Auf- oder Abwärtstrend befindet.
  • Wayback Machine: Dieses digitale Archiv des Internets ermöglicht es dir, frühere Versionen einer Website anzusehen.

Klicke hier für unsere vollständige Liste der Due-Diligence-Tools.

Abschließende Überlegungen und Tipps

Eine Due-Diligence-Prüfung ist bei jedem Kauf eines Online-Geschäfts entscheidend.

Der oben beschriebene sechsstufige Prozess bietet dafür eine solide Basis, kann aber nicht jeden Einzelfall abbilden.

Bleibe daher grundsätzlich flexibel und scheue dich nicht, je nach Investitionshöhe und Risiko, den Due-Diligence-Prozess anzupassen. Auch die Art des Internetgeschäfts oder der zu verkaufenden Website können unter Umständen einen etwas anderen Ansatz erfordern.

Eine Prüfung auf Richtig- und Rechtmäßigkeit stellt immer auch eine Chance dar, über Wachstumsmöglichkeiten und Verbesserungspotenzial des von dir betrachteten Unternehmens nachzudenken.

Denke dabei aber grundsätzlich daran: Kaufe NIEMALS eine Website oder ein Internetunternehmen allein aufgrund von Wachstumschancen und führe IMMER eine gründliche Due-Diligence-Prüfung durch.